So oft haben wir schon versucht ein Permit für die Wave zu gewinnen. Gestern war es endlich so weit, wir wurden Besitzer dieses begehrten Tickets.
Heute bin ich sehr neugierig, wie es mir dort gefallen wird. Tausendfach auf Fotos abgebildet, bilde ich mir ein nichts Außergewöhnliches mehr entdecken zu können. Unvoreingenommen möchte ich das Gebiet mit meinen eigenen Augen erforschen, mich nicht unbedingt auf die bekannten Motive einlassen. Der Spannungsbogen ist straff gespannt, die Erwartungen bewusst niedrig gehalten. Wir sind aufgeregt. Was ist das für eine Landschaft die viele Touristen anzieht und deren Besuch von dem Gewinn in einer Lotterie abhängig gemacht wird?
Obwohl wir in der Nacht unruhig geschlafen haben, starten wir am Morgen zeitig zur Wave. Uns beschäftigt noch das schlechte Wetter von gestern. Kurzzeitig kam die Frage auf, ob wir nicht doch die Route vom Süden aus fahren sollten. Wir entscheiden uns für die Fahrt aus nördlicher Richtung und vertrauen den Ausführungen der Rangerin am Vortag. Sie hätte uns auf jeden Fall darauf aufmerksam gemacht, wenn die südliche Anfahrt notwendig gewesen wäre.
Auf dem Parkplatz angekommen, wissen wir auch warum. Die House Rock Valley Road wurde am Vortag frisch planiert. Von den abgerissenen Straßenrändern ist nichts mehr zu sehen und der Wash würde sich sogar mit einem PKW durchfahren lassen.
Wir sind die ersten am Parkplatz. Morgens um 8.00 Uhr ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Wir ziehen uns erstmal wärmer an, es ist sehr kalt und ohne Handschuhe und Mütze gehen wir nicht los.
Ausgerüstet mit der sehr guten Wanderbeschreibung vom BLM und eindringlichen Tipps von Freunden machen wir uns auf den Weg. Immer wieder betonte die Rangerin bei der Einweisung am Vortag, diese Wanderung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und sehr aufmerksam den Weg zu verfolgen.
Dachte ich bisher nur die Hitze im Sommer sei problematisch, wurde mir während des Weges klar, warum wir konzentriert mit Hilfe der Wegbeschreibung zur Wave laufen sollten.
Der Weg ist selten markiert. Der erste Abschnitt ist einfach zu finden. Auf der großen Felsfläche finden sich zwei kleine Hinweise in welche Richtung zu laufen ist. Wir nehmen den Tipp von Freunden an und drehen uns immer wieder zurück, um markante Punkte für den Rückweg zu fotografieren. Ist das nun übertrieben? Hier sind doch schon so viele vor uns wieder gesund und munter heraus gekommen?
Der Wanderweg wird vom BLM nicht durchgehend mit Schildern und Steinen markiert. Das Gebiet besteht überwiegend aus Sand und Sandsteinfelsen und verlangt eine gute Orientierungsfähigkeit.
Schon der Weg zur Wave ist die Wanderung wert. Ich bemühe mich das eine oder andere Motiv auf die Speicherkarte zu bannen. Auf dem Rückweg ist die Kamera sicherlich wieder im Rucksack, da wird nicht mehr fotografiert.
Nach anderthalb Stunden sind wir kurz vor dem Ziel. Wir stehen vor einer Anhöhe und noch ist nicht zu erkennen, dass hier ein spektakulärer Anblick zu erwarten ist.
Wir steigen auf den Berg und der erste Gedanke ist, aha, so sieht es hier aus. Zwischen zwei kleinen Felsen öffnet sich ein Blick auf die dahinterliegenden Felsspitzen. Ist das schon die Wave?
Wir laufen um die Felsen herum, weil der Zugang tief mit Wasser gefüllt ist.
Wir laufen durch diesen Spalt...
...und stehen vor der Wave. Noch nicht mit dem gewohnten Bild, mit dem Wasser aus dieser Perspektive genauso schön.
Wir sind übrigens ganz alleine an der Wave und können jeden einzelnen Felsen aus allen Perspektiven betrachten. Grandiose Momente ohne Selfiestangen.
Oben auf der Anhöhe angekommen, machen wir erst einmal Pause und genießen den Anblick und diese außergewöhnliche Stille.
Um ehrlich zu sein, habe ich mir das hier nie so einzigartig vorgestellt. Meistens sieht der Betrachter auf Bildern immer nur ähnliche Motive. Von hier oben sind die Strukturen und Linien in der Gesamtheit wahrzunehmen, klasse.
Es ist schon etwas anderes die Schönheit vor Ort zu betrachten und damit das Gefühl zu bekommen, weshalb dieses Gebiet als "The Wave" bezeichnet wird.
Zwei Stunden sind wir alleine an der Wave unterwegs. Als andere Wanderer eintreffen machen wir uns auf um die Coyote Buttes North zu erkunden.
Von hier oben schauen wir auf die Wave, dann gibt es für mich neue Überraschungen.
Darf ich vorstellen: Coyote Buttes North von oben.
Ich habe wirklich nicht damit gerechnet auf solche prachtvolle Felsen zu stoßen. Die Bilder von der Wave und der Second Wave sind bekannt, was wir hier vorfinden steht mit der Wave auf jeden Fall in keiner Konkurrenz. Die unterschiedlichen Gebiete der Coyote Buttes North sind nicht miteinander vergleichbar. Sie stehen für sich in ihrer Schönheit und sind einzigartig wundervoll.
Die Second Wave schlummert unscheinbar im Mittagslicht.
Der Tag ist viel zu kurz, um alles zu erkunden. Leider können wir auch nicht sagen, morgen kommen wir wieder. So saugen wir jeden Moment auf und versuchen alles bewusst wahrzunehmen.
Bevor es wieder zurück zum Auto geht, verbringen wir noch einige Zeit an der Wave.
Trotz guter Wegbeschreibung ist es tatsächlich notwendig, äußerst aufmerksam den Rückweg zu bestreiten. Wir sind gut ausgerüstet mit unseren GPS Daten und den Informationen des BLM. Auf den Sandsteinfelsen müssen wir uns mehrmals orientieren, um den richtigen Weg zu nehmen. Ansonsten ist der Weg relativ einfach zu laufen. Im Sommer ist die Hitze das größte Problem. Dann wird jeder Schritt anstrengend und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Weg sich wie Kaugummi zieht.
Am Ende des Tages sitzen wir im Auto und sind freudig fassungslos. Wir können es immer noch nicht begreifen ein Permit gewonnen zu haben. Ein großer Wunsch ist wahr geworden, wir sind voller Demut und unser Adrenalin im Körper versetzt uns in eine wunderbare Stimmung.
Insgesamt sind wir 14 km gelaufen. Vor der Wanderung hatte ich einigen Respekt, aber bei den angenehmen Temperaturen bin ich kaum erschöpft.
Vielleicht sieht man sich noch einmal. Mein vor dem Urlaub geschriebenes Vorwort "Surprise oder der letzte Versuch" würde nach unserem heutigen Erlebnis so nicht noch einmal geschrieben werden.
Jeder Versuch, auch wenn er immer wieder erfolglos sein sollte, ist eine Anstrengung wert ein Permit für den Besuch der Wave zu erhalten.