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2020, ein Jahr zum Vergessen?

Orientiere dich in die Zukunft und schaue nicht oft zurück, dieser Empfehlung kann ich dieses Jahr nicht folgen. Ich muss das gesamte Jahr Revue passieren lassen. Das Vergangene noch einmal der Reihe nach durchgehen und die Ereignisse sortieren, hilft Schlussfolgerungen zu ziehen. Im Laufe der Wochen und Monate entwickelte sich 2020 zu einem Jahr, in dem die Krankheit Covid 19 alle Lebenslagen tief beeinflusste. Ich wollte Corona so wenig wie möglich erwähnen. Das wird nicht gehen. Es ist das Coronajahr, welches bis in die kleinste Zelle der Gesellschaft das Leben erschwerte. 

Am Ende dieses Berichtes werden wir feststellen, wie interessant und aufreibend gut alles verlaufen ist. Deshalb liebe ich es Jahresendberichte zu schreiben. Vieles relativiert sich und negative Erlebnisse flachen im Verlauf der Zeit mild ab.

Februar Renesse
Februar Renesse

Normal fängt mein Jahresendbericht mit der Überschrift "Die schönsten Erinnerungen des Jahres... "an. 

Woran erinnere ich mich im ersten Moment meines Rückblicks? Es ist nicht der schönste Umstand, sondern der für mich einprägenste Augenblick. Es war Stille die mich in der ersten Nacht des Lockdowns aufwühlte. Diese Stille wurde gewöhnlich durch leise Geräusche unterbrochen, diesmal passierte bis zum Morgen nichts. Es startete kein Auto, es fuhren keine Busse, es lachten keine Kinder auf der Straße die zur Schule gingen. Es blieb still und es veränderte sich in den nächsten Tagen nichts. Die Straßen und Bürgersteige blieben leer. Die Welt stand plötzlich still und es fühlte sich für mich extrem beängstigend an. Diese Bilder kannte ich bisher nur aus Science-Fiction-Filmen. Der Moment war erdrückend. Ich konnte nichts tun, nicht handeln, nur warten, reden, diskutieren. Die Vorstellung wie die Welt sich unter dem Virus verändern würde, explodierte in unseren Köpfen. Eine Krankheit hielt einfach das Rad des Lebens an. Es veränderte von heute auf morgen alles. 

Ein Jahr das anders verlief, als wir es uns in den kühnsten Visionen vorstellen konnten. Hätte ich all das in einem Buch gelesen, wäre ich vor Spannung in den Nächten beim Lesen nicht eingeschlafen. Ich hätte auf das Ende gewartet, hätte vieles besser verstanden. Dinge wären logischer erklärt worden. Im Buch wären die Zusammenhänge genauer dargestellt worden. Vielleicht hätte ich mich über manches gewundert, vielleicht auch nicht. Niemals hätte ich endlose Diskussionen um das Tragen von Masken oder anderen Einschränkungen vermutet. Ich wäre davon ausgegangen, dass der Mensch sich mit einigen Bedürfnissen zurücknehmen kann. Die Realität sah anders aus und ist wesentlich differenzierter als in einem Buch zu betrachten. Ich habe gelernt, mich aus Diskussionen herauszuhalten, weil es nicht möglich war objektiv auf der Basis von Fakten zu reden. Ich bin erschöpft mich zu streiten, ich mag nicht mehr und gehe meinen Weg.

Es ist noch nicht vorbei und wir müssen es weiter aushalten.

Das Jahr begann optimistisch. An der holländischen Nordseeküste besuchten wir mit unseren Freunden Claudia und Burckhard das spektakuläre Eisbaden am Strand von Burgh Hamstede. Auf einem ausgiebigen Spaziergang schmiedeten wir unsere Pläne für unser jährliches Treffen zum nächsten Jahreswechsel. Am Wasser stehen und das Eisbaden zu beobachten, ist eine sehr bequeme Art in das Neue Jahr zu starten. Schöner wäre es sich von der Energie anstecken zu lassen und nächstes Jahr mitzumachen. Wir Frauen waren uns schnell einig den Männern die Handtücher zu halten und ihnen Mut zu machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Million Sandkörner nach dem Baden auf dem Körper ein schönes Gefühl erzeugen sollen. Es ist kalt, nass und nirgendwo ein Raum wo man sich in Ruhe umziehen kann. Ich halte liebe das Handtuch und bewundere unsere Männer. Silvester an der Nordsee zu feiern ist sehr erholsam. Wir waren so kühn und buchten unseren Stellplatz gleich für den Jahreswechsel 2020/ 2021. Sicher ist sicher, die besten Plätze sind immer schnell ausgebucht.

Eisbaden Burgh Hamstede, 1.01.2020
Eisbaden Burgh Hamstede, 1.01.2020

Im Februar flüchteten wir zum Karneval nach Zeeland und Corona nahm seinen Lauf. Wir standen ganz alleine auf dem Stellplatz in Renesse, denn wir hatten das gefürchtete HS auf dem Kennzeichen stehen. Mit Leuten aus Heinsberg wollte keiner näheren Kontakt haben. Wir fanden es noch lustig, dass neben uns keiner stehen wollte. Wochen später trauten wir uns nicht mehr in die Niederlande. Auch hier gab es Menschen die unsachlich reagierten. In diesem Fall wurden Autos von Heinsbergern zerkratzt. Irgendwann traf das Virus jede Region und damit waren wir aus der Schusslinie.

Brouwersdam, Februar
Brouwersdam, Februar

Im März flogen wir nach Mallorca. Am liebsten wären wir nicht geflogen. Es zeichnete sich ab, dass Corona sich durch die Kontinente fressen wird. Der Urlaub wurde vom Reiseanbieter jedoch nicht abgesagt. Wir flogen los, verbrachten wunderschöne Tage auf der Insel und waren viel zu schnell wieder zu Hause. Den Verlauf unserer Erlebnisse habe ich ausführlich im Blog geschildert.

Mallorca, März
Mallorca, März

Der erste Lockdown hielt uns zu Hause fest und es begann das große Coronaputzen. Irgendwas mussten wir tun. Wir putzten jede Ecke. Da der Lockdown kein Ende nahm, putzen wir weiter. Alles wurde dreimal durch die Hand gedreht und begutachtet. Wovon können wir uns lösen, was ist unverzichtbar? Wir fühlten uns gut, ausmisten befreit. 

Eigentlich wollten wir im Mai für ein paar Wochen nach Nordnorwegen fahren, die Reisebeschränkungen wurden immer umfangreicher. Unter geschickter Reiseplanung hätten wir fahren können, doch das war nie eine Option für uns. Norwegen bat darum, geplante Reisen nicht anzutreten und wir blieben zu Hause. Was sollen wir in einem Land, wo ein Besuch ausdrücklich unerwünscht, aber nicht verboten ist? 

Unsere Struktur im Tagesablauf war in feste Regeln eingeteilt. Bewegung an der frischen Luft war ein wichtiger Aspekt um gesund zu bleiben. Wie so viele andere Menschen sorgten wir für ausgedehnte Spaziergänge und längere Fahrradfahrten, um das Immunsystem zu stärken. Wir freuten uns riesig über die erste Eiskugel von unserer Lieblingseisdiele. In einer Einbahnstraße ging es in großzügig eingeteilten Bereichen an der Theke vorbei und mit einer gefüllten Eiswaffel an der anderen Seite wieder hinaus. Irgendwie gewöhnten wir uns an die Veränderungen und auch das Tragen der Maske war kein großes Problem. Wirklich eingeschränkt fühlten wir uns nie. Ich glaube wir haben die gute Gabe auch in kleinen Momenten sehr schöne Dinge zu entdecken und die Welt positiv zu sehen. Wir bestaunten jede Mohnblume am Randes des Weges. Das war eine besondere Freude, die vom Bauern ausgesähte Blumenwiese beim Aufblühen zu beobachten.

Immer wieder fiel der Satz: "Zu Hause ist es auch schön."

Zu Hause ist es auch schön
Zu Hause ist es auch schön
Mai in unserer Region
Mai in unserer Region

Der Mai ist ein guter Monat sich um den Garten zu kümmern. Seit wir mit dem Wohnmobil unterwegs sind, ist der Garten eher zweckmäßig und praktisch bepflanzt. Diesmal war die Aussicht auf Reisen trüb und wir fingen an in jede freie Stelle des Gartens kleine Freuden zu pflanzen. Kürbis, Zucchini, Tomaten, Petersilie, Schnittlauch, Knoblauch gediehen prächtig. Es machte ausgesprochen Spaß mit und für die Pflanzen zu leben.

Langsam entspannte sich die Situation um Corona und die warmen Monate hauchten unserem Land wieder Leben ein. Ich kann nicht einschätzen, ob alle Maßnahmen sinnvoll waren. Das maße ich mir nicht an, Dinge zu bewerten von denen ich keinen Überblick habe. Für uns war es wichtig, uns zu schützen. Danach handelten wir das gesamte Jahr. Wir verinnerlichten nur uns selber zu vertrauen und den eigenen Schlussfolgerungen und Instinkten zu folgen. 

Im Juni konnten wir endlich mal Holunderblüten sammeln, meistens sind wir zu dieser Zeit unterwegs. Das daraus hergestellte Holunderblütengelee war mega lecker. Die kleinen Freuden erhellten den Alltag, groß unternehmen wollten wir noch nichts. Die Regeln die wir uns selber auferlegten, waren fast strenger als die empfohlenen Maßnahmen.

In den Sommerferien begann die Rumreiserei durch Europa. Wir schauten uns das erstmal von zu Hause aus an und staunten darüber, dass die Grenzen wieder für Spaß und Vergnügen geöffnet wurden. Auch wir wagten uns später mit dem Wohnmobil einige Nächte an die holländische Nordseeküste und an einen kleinen See in den Niederlanden.

Hier waren Campingplätze geöffnet, bei uns noch geschlossen. Jedes Land in Europa ging seinen speziellen Weg, einheitliche europäische Regelungen gab es kaum. Es herrschte ein Durcheinander und kein Miteinander. Peinlich wie sich Politiker zu unserem Entsetzen in Szene setzten. Ab dem Sommer fingen Menschen an eigene Regeln aufzustellen und zu befolgen. Niemand muss sich bei diesen europäischen und innerländischen Entscheidungen darüber wundern. 

 

Im Juli blieben wir im Garten und ich nahm endlich mal wieder die Kamera in die Hand, um Insekten zu fotografieren.

Langweilig war uns nie, wir pflegten unsere Pflanzen und bestaunten die Zucchinis. Das ist die ideale Pflanze Kindern zu zeigen, wie toll es ist Gemüse anzupflanzen. Die Pflanze ist wunderschön und die Frucht wächst in ihrer besten Zeit über Nacht. Das ist ein positiver Effekt von Corona, die Welt bewusster zu betrachten und nichts als selbstverständlich anzusehen. Wir haben nichts vermisst, außer unsere Reisen. Es tat uns gut, die Welt aus einer langsameren Perspektive zu betrachten und uns an kleinen Dingen zu erfreuen.

Immer mehr Länder lockerten ihre Grenzen und so kam es, dass Burckhard und Andreas im August dann doch ihre lange geplante Reise nach Island antreten durften. Deutschland befand sich auf der isländischen grünen Liste und wurde nicht als Risikoland eingeschätzt. Ihre Flüge wurden nicht storniert. Richtig wohl war ihnen vor der Abreise nicht und erst nach der Ankunft gelang es ihnen sich auf das Land und die wunderschöne Natur einzulassen. Hier gab es keine endlosen Diskussionen um die App und deren Datenschutz. Wer die isländische App zur Nachverfolgung nicht nutzte, musste nach der Landung die Heimreise antreten. Schlupflöcher gab es nicht. Die Reisesituation war nicht unbedingt angenehm, auch die Zahlen um Corona stiegen wieder an. Island reagierte schnell und verhängte 3 Tage nach der Einreise von beiden für ausländische Touristen eine 10 tägige Quarantäne. Diese Reise entwickelte sich zu einem wahrscheinlich nie wiederholendem Erlebnis, ausländische Touristen blieben der Insel fern. Für Andreas und Burckhard wurde die Reise zu einem grandiosen Höhepunkt ihrer gemeinsamen Fahrten. Nach 11 Tagen kamen sie wieder gesund nach Hause. Sie hatten Glück fliegen zu können und waren erleichtert, dass in diesem ungewöhnlichen Jahr die Reise positiv endete. Es hätte auch anders kommen können.

Wir packten im September unser Wohnmobil und fuhren ohne Planung Richtung Italien. Lange haben wir darüber gesprochen, ob das in diesem Jahr angebracht ist Urlaub in anderen Ländern zu verbringen. Natürlich nicht. Trotzdem fuhren wir los. Stets war der Abbruch unserer Reise eine Option. Wenn wir uns nicht an Regeln halten können und uns die Situation zu angespannt wird, fahren wir sofort wieder nach Hause. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Gaststättenbesuche wurden ausgeschlossen. 

Wir besuchten Orte die sonst von Menschenmassen überfüllt waren. Unsere Ziele befanden sich in Südtirol, Venedig, San Marino, Siena, San Gimignano, Florenz, Lucca, die Toscana, der Gardasee. Die Camping- und Stellplätze waren in der Regel sehr gut besucht und ausgebucht, in den Städte verteilten sich die Touristenströme angenehm. Leer war es nicht. Italien ist für uns mit das lohnenswerteste Ziel in Europa. Hier findet der Besucher fast alles was das Herz an Natur begehrt. Ein wunderschönes abwechslungsreiches Land mit kulinarischem Hochgenuss.

Rundreise Italien, September
Rundreise Italien, September
Venedig
Venedig
Florenz
Florenz

Im Oktober fahren wir regelmäßig nach Berlin. Diesmal war es eine schwere Entscheidung die Fahrt anzutreten. In Berlin stiegen die Zahlen der Neuinfektionen wieder rasant und die Stadt wurde in die rote Zone eingeteilt. Ich traf mich mit meiner Mutti am Rand der Stadt und wir liefen stundenlang durch den Wald. Das war für uns beide gut zu verantworten und wir hatten eine intensive schöne Zeit miteinander. 

Von Berlin zog es uns auf den Darß. Wir reservierten für 14 Tage einen Stellplatz in Zingst. Hin und herfahren wollten wir nicht. Es war wieder abzusehen, dass überall die Zahlen steigen werden. Im Wohnmobil fühlten wir uns sicher aufgehoben. Kontakte gab es nur mit großem Abstand, alles war auf dem Campingplatz perfekt organisiert. Wir waren an der frischen Luft und bewegten uns viel. Der Darß ist für uns der schönste Ort an der deutschen Ostseeküste. Die Reise endete von einem Tag auf den anderen. In Anbetracht der steigenden hohen Corona Zahlen zog die Bundesregierung die Reißleine und schloss alle touristischen Einrichtungen im Land. Wir mussten wieder nach Hause fahren und unser Wohnmobil einmotten.

Unsere Reise zum Jahreswechsel nach Renesse haben wir storniert. Die rasant steigenden Erkrankungen in Europa lassen eine Reise nicht verantworten. 

Zingst, Oktober
Zingst, Oktober

Ein schwieriges Jahr neigt sich zu Ende. Aus unserer Sicht hielten sich Veränderungen und Einschränkungen in Grenzen. Wir hatten es gut, denn wir konnten uns sehr gut bewegen und an die Bedingungen anpassen.

Respekt zolle ich Menschen, die ihren täglichen Tagesablauf mit Kindern meistern mussten. Meine Hochachtung für die Leistung, Arbeit und Familie unter diesen Bedingungen unter einen Hut zu bringen. Ich denke oft an die Menschen die um ihre Existenz bangen müssen.

Ich denke seit Beginn der Pandemie besonders an die ältere Generation. Kein Mensch hat es verdient in zwei wichtigen Lebensphasen so eingeschränkt zu werden. Es tut mir leid, Menschen am Ende ihres Lebens sozial distanziert zu sehen. In den ersten Wochen der Pandemie konnten wir es nicht besser, das ist zu entschuldigen. Im weiteren Verlauf wurde nicht genug für die älteren Bürger getan. Das ist nicht zu verzeihen. 

In der Geschichte zeigt dieses Jahr nur einen winzigen Augenblick. Schneller, weiter, höher, reicher kann nicht das Bestimmende im Leben sein. Am Anfang der Pandemie spürten wir die Hilfsbereitschaft und Solidarität untereinander. Diese positive Energie hat uns geholfen die ersten Wochen gut zu meistern. Wir konnten uns in unterschiedlichen Lebensbereichen neu entdecken. Ich bewerte dieses Jahr als ein Jahr der Hoffnung auf Toleranz, Respekt und gegenseitiger Achtung. Persönlich haben wir uns vorgenommen wesentlich gelassener zu werden. Es geht uns gut, wir sind gesund und zufrieden. Gute Voraussetzungen, um entspannt durch das Leben zu gehen.

Wir können das Jahr 2020 nicht vergessen! Es waren mit allen Einschränkungen erfahrungsreiche Monate, deren positive Schlussfolgerungen wir in der Zukunft bewahren sollten!

Ich wünsche allen Lesern von Herzen ein gesundes 2021!